Viele Menschen unterschätzen Obdachlose. Allzuleicht vergessen wir, dass auch sie Menschen sind. Menschen, die ihre eigene Vergangenheit und Geschichte haben. Oft ignorieren wir Obdachlose, übersehen sie. Einige von uns bieten vielleicht etwas Kleingeld an, aber es ist selten, dass sich jemand die Zeit nimmt, ein Gespräch mit einem Obdachlosen zu führen.

Als ein Waliser genau das tat, war er überrascht, als er feststellte, mit wem er da sprach. Besonders verblüfft war er von der Demut der Frau und ihrer Freundin, die ebenfalls obdachlos war. Was als ganz normaler Abend begann, führte zu einer überraschenden Wendung in Jonathons Leben.

Jonathon Pengelly

Der Typ mit der nach hinten gedrehten Mütze und dem schiefen Lächeln ist Jonathon Pengelly, ein Waliser. Wie viele junge Erwachsene genoss er auf diesem Foto gerade einen schönen Abend mit Freunden in der Stadt.

Nach ein paar Jahren weiß man ja mehr oder weniger, was einen beim Ausgehen erwartet: Freunde, Spaß, Essen, vielleicht ein bisschen Tanzen. Diese Nacht sollte jedoch zu einer werden, die viele Erwachsene nie erleben. Jemand würde einen großen Einfluss auf Jonathons Leben nehmen.

Er dachte, die Nacht sei schon vorbei

Jeder, der eine Nacht  mit Feiern verbracht hat, weiß, dass es oft mit einem vor Hunger knurrendem Magen endet. Allerdings, je später der Abend, desto weniger Möglichkeiten gibt es, etwas zu Essen zu bekommen.

Nachdem Jonathon und seine Freunde in Cardiff, Wales, von Party zu Party gesprungen waren, beschlossen sie, sich Fast Food von McDonald’s zu holen. Das war billig, schnell und schien eine einfache Option zu sein, da ihre sorglose Nacht sich langsam dem Ende neigte.

Keine typische Nacht bei McDonald’s

Viele Fast-Food-Restaurants bleiben länger geöffnet als durchschnittliche Restaurants. Dies hat zwei Gründe: um die Kunden zu bedienen, die geplant haben, spät zu essen und dann keine andere Möglichkeit haben, und um die Kunden zu bedienen, die die ganze Nacht gefeiert haben.

Wie an einem Samstagabend zu erwarten, drängten sich viele Leute im McDonald’s, wo sich Jonathon und seine Freunde befanden. Die lange Schlange schien heute aber besonders lange zu sein. Etwas schien eine Verzögerung zu verursachen.

Eine obdachlose Frau

Jonathon erkannte bald, was der Grund für die Verzögerung war. Eine Frau versuchte, etwas zu bestellen, aber die Kassiererin weigerte sich, sie zu bedienen. Die Frau in der Schlange schien obdachlos zu sein, was Jonathon zu der Annahme verleitete, dass sie versuchte, etwas zu essen zu bekommen.

Er nahm an, dass es nur einen Grund dafür gab, dass die Kassiererin die Frau ignorieren würde. Er dachte, dass die Frau vielleicht Essen bestellte, das sie sich nicht leisten konnte. Wie andere in der Schlange lehnte er sich vor, um zu verstehen, was gesagt wurde. Wie sich herausstellte, bestellte die obdachlose Frau überhaupt kein Essen.

Sie wollte nur Wasser

Als Jonathon zuhörte, stellte er fest, dass die Obdachlose nur um Wasser bat. Es schien, dass die Kassiererin der Frau grundlos das Leben schwer machte, da normalerweise von allen Einrichtungen erwartet wird, dass sie kostenloses Wasser anbieten.

Die Frau verließ schließlich die Theke und wanderte mit nichts zu essen, geschweige denn mit einem Tropfen Wasser, zurück hinaus in die Kälte. Bestürzt über die mangelnde Fürsorge um diese Frau folgte Jonathon ihr hinaus in die Kälte.

Konnte er ihr etwas bringen?

Jonathon ging auf die Frau zu und fragte respektvoll und freundlich, ob er ihr etwas kaufen könne. Sicherlich hätte eine Obdachlose eine lange Liste mit Wünschen, die sie möglicherweise brauchte, um die Nacht sicher zu überstehen.

Was Jonathon am meisten verwunderte und was den Verlauf seiner Nacht veränderte, war ihre Reaktion. Er erwartete, dass sie viele Wünsche äußern würde. Er rechnete sogar damit, dass sie vielleicht unhöflich zu ihm sein könnte, immer noch verbittert darüber, dass man ihr eben nicht einmal ein Glas Wasser geben wollte.

Ein bescheidener Wunsch

Die Obdachlose schien keineswegs verbittert sondern, im Gegenteil, dankbar. Sie bat Jonathon einfach um einen Cheeseburger. Sicherlich musste er aber noch etwas anderes für sie besorgen können, als einen einzelnen Cheeseburger. Er fragte daher noch einmal, ob sie nicht noch etwas wollte.

Die Obdachlose sagte, dass sie eine Freundin habe, die auch etwas zu essen brauchte. Von ihrer Demut getroffen, ging Jonathon zurück in den McDonald’s. Er wollte die Nacht für beide obdachlosen Frauen ein klein wenig angenehmer machen.

Eine große Bestellung

Jonathon und seine Freunde kauften jeweils so viel Essen und Getränke, wie sie tragen konnten. Die preiswerten Mahlzeiten waren ein geringer Preis, um das Leben zweier obdachloser Frauen ein klein wenig aufzuhellen.

Sie brachten das Essen zu den obdachlosen Frauen und gesellten sich zu ihnen auf den Bürgersteig. Wie bei einem Familienessen saß die kleine Gruppe neuer Freunde um einen Berg an Fast Food herum. Unweigerlich begannen die Frauen, ihre Geschichten zu erzählen.

Freundlichkeit war ein seltenes Geschenk

Als die Gruppe sich unterhielt, stellten sie fest, dass die Frau, die bei McDonald’s abgewiesen worden war, Polly hieß. Sie war seit Jahren obdachlos und lebte auf der Straße. Sie erklärte den jungen Freunden, wie rücksichtslos Menschen oft waren.

Was ihr und ihrer Freundin am meisten weh tat, war nicht einfach nur abgelehnt zu werden. Das wirklich Schwierige daran, auf der Straße zu leben, war, dass sich einige Leute über Polly und ihre Freundin lustig machten und sie im Vorbeigehen verspotteten.

Hinter jedem Mensch steckt ein Schicksal

Ein häufiges Missverständnis über Obdachlose ist, dass sie alle faul und dumm sind. Tatsächlich ist Obdachlosigkeit ein viel komplexeres Thema, wie Jonathon und seine Freunde herausfanden.

Er sagte später gegenüber The Sun: „Als ich mit ihnen sprach, war ich wirklich schockiert über ihre Geschichte und wie gebildet sie waren. So voller Leben und Enthusiasmus, und sie haben buchstäblich nichts!“ Was auch immer diese Frauen auf die Straße gebracht hat, sie sind doch deshalb immer noch Menschen. Bewegt von ihrem Charakter beschloss Jonathon, einen weiteren Akt der Freundlichkeit zu wagen.

Er lud sie zu sich nach Hause ein

Während einige Leute nicht im Traum auf die Idee kämen, einen Obdachlosen zu sich nach Hause einzuladen, waren sich Jonathon und seine Freunde schnell einig, dass es hier und jetzt genau das Richtige war. Sie fragten Polly und ihre Freundin, ob sie vorbeikommen wollten, um sich frisch zu machen.

Nicht viele von uns können sich vorstellen, wie fremd sich ein Zuhause nach Jahren des Lebens auf der Straße anfühlen muss. Die Wärme, das Licht und all die  für uns so selbstverständlichen Annehmlichkeiten, fehlen Obdachlosen jeden Tag. Polly und ihre Freundin stimmten daher glücklich zu.

Endlich duschen

Als die Frauen bei Jonathon ankamen, konnten sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein ordentliches, gut sortiertes Badezimmer benutzen. Sie putzten sich die Zähne und duschten lange.

Eine Sache, die Menschen manchmal dazu veranlasst, Obdachlose als „Andere“ zu sehen, ist ihr äußeres Erscheinungsbild. Ohne Badezimmer wird man bald nicht mehr als Mensch wahrgenommen. Indem er Polly und ihrer Freundin sein Badezimmer benutzen ließ, half Jonathon dabei, ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

Mensch sein

Während die Damen den Komfort einer warmen Dusche genossen, bereitete Jonathon nochmal etwas zu essen vor, das sie mitnehmen konnten. Es gibt wenig, dass glücklicher macht als lieben Menschen Essen zu schenken.

Jonathon hatte bereits viel für Polly und ihre Freundin getan, aber er bestand darauf, ihnen mehr als nur eine einzige Mahlzeit und eine Dusche anzubieten. Das Essen würde zwar nicht ewig halten, aber es würde den Frauen zumindest die Möglichkeit bieten, sich einen ganzen Tag lang satt zu fühlen.

Dank für einen außergewöhnlichen Abend

Hier sehen wir ein Foto von Jonathon und Polly an dem Abend, an dem sie sich trafen. An ihrem warmen Lächeln kann man erkennen, dass sie Jonathon gegenüber aufrichtige Dankbarkeit empfand.

Man sieht aber auch an seinem Gesichtsausdruck, dass diese Frauen großen Eindruck auf den jungen Mann hinterlassen hatten. Er versorgte Polly und ihre Freundin noch mit warmen Decken und Kissen und überreichte ihnen das abgepackte Essen, das er für sie zubereitet hatte.

Facebook

Nach einer so angenehmen Erfahrung mit Polly und ihrer Freundin verspürte Jonathon eine verständliche Welle des Ärgers über McDonald’s. Er ging zu Facebook, um den Abend zu beschreiben, und teilte seinen Ärger darüber, dass McDonald’s Polly einen Becher Wasser verweigert hatte.

Er schrieb: „Ich weiß nicht, was der Kassiererin durch den Kopf ging, aber eine offensichtlich obdachlose Dame forderte einen Becher Wasser und eine Multi-Milliarden-Dollar-Firma lehnt das einfach ab. Widerlich!”

Die Geschichte erregte Aufmerksamkeit

Jonathons aufrichtige Erzählung der Nacht ging viral und gewann die Herzen vieler Menschen im ganzen Land. Seine Geschichte war nicht die erste Kritik, mit der McDonald’s in letzter Zeit konfrontiert worden war. Wenn sie ihre treuen Kunden behalten wollten, mussten sie reagieren.

Gerade weil viele dem Fehlverhalten von jemandem gegenüber einer Obdachlosen keine Beachtung schenken würden, bewegte Jonathons Geschichte so viele Menschen. Schließlich wurden sogar Reporter auf die Geschichte aufmerksam.

McDonald’s äußert sich

Die Geschichte gewann schnell an Fahrt, so dass Reporter wegen des umstrittenen Themas mit McDonald’s in Kontakt traten. Eine Sprecherin des Unternehmens versicherte, dass es keine Politik zur Diskriminierung von Obdachlosen gebe.

Laut ihr sind Obdachlose in jedem McDonald’s-Standort willkommen. Was die Bitte um Wasser angeht, sagte sie, dass die „überwiegende Mehrheit“ dieser Anfragen erfüllt werde. Während ihre Antwort nicht besagte, dass die Übergabe von Wasser an jeden, der darum bittet, Teil ihrer Politik ist, wurde doch zumindest klar, dass es keine Politik ist, eine Person mit der Begründung, dass sie obdachlos ist, aus dem Lokal zu werfen. Es stellte sich heraus, dass es einen anderen Grund gab, warum Polly die Bedienung verweigert wurde.

Polly hatte von früher noch ein Hausverbot

Wie sich herausstellte, hatte die Kassiererin einen offiziellen Grund gehabt, Polly nicht zu bedienen. Trotz ihrer freundlichen Haltung gegenüber Jonathon stand sie auf einer Liste, die bestätigte, dass sie bei McDonald’s ein Hausverbot hatte.

Die Sprecherin erklärte weiter, dass der Laden sowie andere Standorte in Cardiff, Wales, mit der Polizei zusammenarbeiteten, um bestimmte Personen aufgrund von „illegalem und asozialem Verhalten“ den Zutritt zu verbieten. Mit anderen Worten, Pollys Hausverbot war angeblich darauf zurückzuführen, dass sie gegen das Gesetz verstoßen oder etwas getan hat, um die Leute im Restaurant zu stören.

Da scheint etwas nicht zu stimmen

Während die Sprecherin von McDonald’s erklärte, dass die Weigerung, Polly mit Wasser zu versorgen, ihre eigene Schuld war und nicht die des Unternehmens, bleibt die Sache doch ungelöst.

Da McDonald’s den Reportern keine Erklärung dafür liefern konnte, was Polly getan hatte, warum ein solches Hausverbot ausgesprochen worden war, ist ungewiss, ob das nicht nur eine Ausrede war.

Vorurteile abbauen

Ob Polly zu Recht von McDonald’s ein Hausverbot erhalten hatte oder eben nicht, ihre Begegnung mit Jonathon ist eine wichtige Erinnerung daran, dass Obdachlosen genauso wertvolle Menschen sind, wie wir selbst.

Wenn wir alle die Tatsache bedenken, dass jeder Obdachlose ein liebenswerter Mensch voller Potenzial ist, wenn wir ihnen öfter ein Lächeln und ein freundliches Wort schenken, dann können wir alle die Welt jeden Tag ein kleines Stück besser machen.