Zuerst dachte Peter, ein streunender Hund hätte sich in seinen Garten geschlichen. Mit seinem flehenden Hundeblick weckte er sofort Peters Mitleid. Doch als Peter das kleine Fellbüschel hochhob, staunte er nicht schlecht.

Der kleine Welpe hatte nicht nur ein Halsband, nein, an dem Halsband hing auch noch ein mysteriöser Schlüssel. Ohne es zu wissen, hatte Peter gerade ein neues Kapitel seines Lebens aufgeschlagen.

Ein Schlüsselhund?

Peter hatte schon von Schlüsselkindern gehört. Kinder, deren Eltern auf der Arbeit waren, wenn sie von der Schule nach Hause kamen. Diesen Kindern hatte man früher den Haustürschlüssel um den Hals gehenkt, damit sie ihn nicht verlieren würden.

Doch warum sollte das jemand bei einem Hund machen. Ein Hund konnte ja keinen Schlüssel bedienen. Er konnte den Schlüssel, der um seinen Hals baumelte, ja noch nicht einmal anfassen.

Welpe entlaufen

In den letzten Tagen hatte Peter bereits davon gehört, dass in seinem Wohnviertel jemandem ein Hundewelpe entlaufen war. Die Nachbarn waren besorgt und litten sowohl mit dem Besitzer als auch mit dem Welpen.

Peter wollte sich gar nicht vorstellen, wie schlecht der Besitzer sich fühlen musste. Einen geliebten Freund zu verlieren, war schon schlimm. Bei einem Welpen, der sich alleine noch nicht durchs Leben schlagen konnte, war es sicher noch viel schlimmer.

Antworten suchen

Bald waren überall in Peters Straße Schilder mit dem Bild des weißen Welpen zu sehen. Sie hingen an Bäumen, Laternen, Bushaltestellen und Stromkästen. Sie steckten auch in jedem Briefkasten.

Man konnte die Angst und Verzweiflung des Besitzers in jeder Zeile lesen. Das Drucken und Verteilen all der Flyer, hatte sicherlich viel Geld gekostet. Dem Finder des süßen Welpen wurde zusätzlich eine hohe Belohnung versprochen.

Mitgefühl

Jedes Mal, wenn Peter einen Steckbrief mit dem Foto des armen Welpen sah, überkam ihn eine Welle der Traurigkeit. Es schien, als würde sich die Angst von Besitzer und Welpe durch den Steckbrief direkt in Peters Herz eingraben.

Dann, eines schicksalhaften Morgens, wurde Peter durch das leise, aber deutliche Winseln eines jungen Hundes aus seinem Schlaf geweckt. Zuerst wollte er sich umdrehen und weiterschlafen, doch das herzzerreißende Winseln schien aus seinem Garten zu kommen.

Der weiße Welpe

Als er den Rolladen hochzug und aus seinem Fenster schaute, bemerkte er den weißen Welpen sofort, der traurig und verloren neben dem kleinen Schuppen in seinem Garten saß. An diesem Morgen war es ziemlich kalt und der Welpe bibberte.

Das Bild eines vor Kälte schlotternden Hundewelpen war zu viel für Peter. Er spürte, wie ihm das Herz schwer wurde und war fest entschlossen, dass er diesem Hund mit allen Mitteln helfen würde.

Nicht lange planen – einfach machen

Ohne lange zu überlegen, war Peter klar, dass er diese arme, hilflose Kreatur keine Minute länger in der Kälte bibbern lassen würde. Er war sich seinen Bademantel über, schlüpfte in seine Pantoffel und ging hinaus in den Garten.

Als er am Badezimmer vorbeikam, nahm er noch ein Handtuch mit. Der kleine Welpe würde vielleicht versuchen wegzulaufen, zu kratzen oder gar zu beißen. Nicht, dass ein so kleiner Welpe eine ernsthafte Gefahr darstellte, aber ein Handtuch war eine gute Idee.

Die plötzliche Veränderung

Peter bemerkte, dass der Welpe noch kleiner zu werden schien, als er bemerkte, dass Peter sich langsam auf ihn zubewegte. “Hoffentlich läuft er mir jetzt nicht weg!” dachte Peter, während er ganz langsam auf den Welpen zuging.

Obwohl er ganz offensichtlich große Angst hatte, schien der Welpe keine Anstalten zu machen, wegzulaufen. Peter machte weiter einen langsamen Schritt nach dem anderen und sprach dabei leise und beruhigend auf den Welpen ein.

Hilfe

Peter war davon überzeugt, dass der kleine Welpe nach mehreren Tagen auf der Straße völlig durchgefrohren und ausgehungert sein musste. Er überlegte schon, bei welchem Nachbarn er wohl etwas Hundefutter bekommen könnte.

Wenn seine Gedanken wahr waren, dann musste der Hund seine ganze Energie aufgebraucht haben. Hoffentlich würde er sich dann jetzt auch helfen lassen und nicht weglaufen.

Der erste Kontakt

Als Peter schließlich bei dem – immer noch leise winselnden – Welpen angekommen war, ging er langsam auf die Knie. Mit sanfter Stimme redete er weiter beruhigend auf den Kleinen ein, griff nach ihm und hob ihn hoch.

Als er den Hund in seinen Armen hielt, begann er ihn leicht zu streicheln. Er wollte den kleinen Kerl einerseits beruhigen, aber auch sehen, ob er irgendwelche Verletzungen hatte. Zu seiner Überraschung spürte Peter jedoch einen Schlüssel, der am Halsband hing.

Ein dünnes Halsband

Peter entdeckte ein dünnes Halsband unter dem bereits flauschigen Fell des Welpen. Er hatte erwartet, eine Plakette mit seinem Namen und vielleicht mit der Telefonnummer seines Besitzers zu finden.

Stattdessen war an dem Halsband ein Schlüssel befestigt. Der Fund eines Schlüssels überraschte Peter. Das war nun definitiv das Letzte, das er am Halsband des Welpen erwartet hatte.

Sonderbare Gefühle

Doch zuerst galt es dem vor Kälte zitternden kleinen Wesen zu helfen. Peter wickelte den Hund in das Handtuch und drückte ihn wärmend an seine Brust. Er streichelte den Kleinen und ging zurück zum Haus.

Der Gedanke an die Steckbriefe, daran wie der Welpe ihn durch das Winseln in seinem Garten geweckt hatte, und an den Schlüssel erschreckten Peter. Er spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.

Der Welpe in seinem Haus

Er betrat mit dem immer noch zitternden Welpen sein Haus und setzte sich mit ihm neben eine Heizung. Er tat dies, damit sich der durchgefrohrene Welpe langsam wieder aufwärmen konnte.

Er bereitete provisorisch etwas Hundefutter zu und stellte dem kleinen Fellbüschel eine Schüssel mit Wasser auf den Boden. Der Welpe stürzte sich auf die Mahlzeit und verschlang alles mit großem Hunger.

Rätsel über Rätsel

Aus der Art und Weise, wie der Hund das von Peter bereitgestellte Futter verschlang, schloss er, dass der arme Welpe wohl schon seit Tagen nichts mehr zu Essen bekommen hatte.

Peter beschloss, den Welpen so schnell wie möglich seinem Besitzer zurückzubringen. Sicher war der vor Sorge schon ganz krank. Peter suchte nach dem Steckbrief, der in seinem Briefkasten gesteckt hatte. Merkwürdig: es stand keine Telefonnummer darauf, nur eine Adresse.

Eine seltsame Adresse

Peter kannte die angegebene Adresse nicht. Diese Erkenntnis vertiefte seine Neugier weiter, da er seit Jahren in der Nachbarschaft lebte und sich daher mit seiner Umgebung vertraut fühlte. Die Tatsache, dass er die Adresse nicht kannte, machte ihn sicherer, dass an dem kleinen Hund etwas Seltsames war.

Nachdem er wegen der Adresse verwirrt war, beschloss er, die Google-Karte auf seinem Handy zu verwenden. Mithilfe der App erfuhr er, dass die Adresse am anderen Ende der Stadt lag.

Seine Neugier war geweckt

Wie war ein so kleiner Welpe durch die ganze Stadt gelaufen? Peter war auch verblüfft darüber, dass all die Steckbriefe mit dem Hinweis auf die hohe Belohnung speziell in seiner Straße angebracht worden waren.

Ihm fiel auf, dass er die Steckbriefe sonst nirgendwo in der Stadt gesehen hatte. Ohne eine Telefonnummer bestand seine einzige Möglichkeit, das Geheimnis aufzudecken, darin, zu der genannten Adresse zu fahren.

Ab zur Adresse

Nachdem Peter sicher war, dass der kleine Welpe sich aufgewärmt und satt gefressen hatte, untersuchte er ihn nochmals gründlich. Vielleicht gab es ja doch noch einen Hinweis auf den Besitzer.

Doch außer dem mysteriösen Schlüssel blieben sowohl der kleine Hund als auch sein Besitzer ein Rätsel. Es blieb Peter keine andere Wahl: vorsichtig setzte er den Hund ins Auto und machte sich auf den Weg zu der Adresse auf den Steckbriefen.

Auf seinem Weg

Auf dem Weg zu der Adresse schwirrten Peter verschiedene Gedanken durch den Kopf. Er hatte das Gefühl, dass der Welpe von seinen Besitzern schlecht behandelt worden war, und begann zu zweifeln, ob es eine gute Entscheidung war, ihn zurückzugeben.

Am Ende kam er dann aber doch zu dem Schluss, dass es die richtige Option war, weil er nicht wollte, dass die Polizei vor seiner Tür auftauchte und ihn beschuldigte, den Welpen gestohlen zu haben.

Eine Idee

Als er sich der Adresse näherte, beschloss er, den Welpen erst noch im Auto zu belassen. Er wollte sich den oder die Besitzer erst einmal ansehen. Vielleicht war ja auch gar niemand zu Hause.

Er hatte vor, mit den Leuten an der Adresse zu sprechen und dann um eine Erklärung für den Steckbrief zu bitten, bevor er ihnen sagte, dass er den Welpen gefunden hatte. Seine Idee schien brillant, aber er war dennoch besorgt.

Schlüssel zum Haus

Wie sich herausstellte, war der Besitzer des Hauses vor kurzem verstorben. Sein letzter Wunsch war es gewesen, dass sein kleiner Welpe das Haus erben sollte. Doch wer sollte sich um den Welpen kümmern?

Er hatte dem Welpen den Schlüssel zum Haus umgehängt und darauf vertraut, dass der Kleine sich sein neues Herrchen selbst aussuchen würde. Nun hatte Peter noch mehr Gänsehaut als vorher. Er hatte nicht nur einen Welpen gefunden, wer hatte einen reichen Welpen gefunden.