Mobbing wird von vielen Menschen immer noch wie ein harmloser Streich unter Kindern angesehen. Hannah Combs aus Harker Heights in Texas, bekam am eigenen Leib zu spüren, wie schnell ein paar gemeine Worte zu einem Netz aus Hass und Gewalt werden können.

Hannah hatte großes Glück. Als ihr die Ärztin nach dem Anschlag die Diagnose unterbreitete, wollte sie am liebsten sterben. Doch ihre Eltern und ihre Freunde machten ihr Mut gegen das Unrecht zu kämpfen. Ein Kampf, nicht nur gegen den Mobber, sondern auch gegen eine unfähige Schulleitung.

Frisch verliebt

Hannah freute sich auf das Ende der Ferien, denn in letzter Zeit konnte sie an nichts anderes denken, als an einen ganz bestimmten Jungen an ihrer Schule. Sie träumte von ihrem ersten Kuss. Aber sie war viel zu verunsichert, ihn anzusprechen.

Jungs konnten gemein sein. Sie hatte eine Geschichte darüber gehört, wie ein Mädchen schwer gemobbt wurde, weil sie Läuse hatte. Sie fragte sich, welche Geschichten wohl über sie im Umlauf waren.

Ein neuer Look

Hannah wollte allen Jungs den Kopf verdrehen. Vielleicht würde dann auch der eine bestimmte, der von dem sie träumte, auf sie aufmerksam. Männer stehen bekanntlich auf blonde Frauen, also beschloss Hannah sich die Haare blondieren zu lassen.

Hannah betrachtete ihr Haar im Spiegel. Es war die Woche vor Schulbeginn und sie war rundum glücklich. Auch Betsy, ihre beste Freundin, sagte ihr, dass sie großartig aussah. Der neue Look gab Hannah Selbstvertrauen. Das neue Schuljahr konnte beginnen!

Ein neues Schuljahr – ein neues Leben

Das neue Schuljahr begann, doch der erwartete Effekt blieb aus. Hannah fühlte sich mit dem neuen Look wie ein neuer Mensch, doch an der Schule schien niemand die Veränderung zu bemerken. Hannah erkannte zum ersten Mal, dass Menschen sich vor allem für eines interessieren: sich selbst.

Zwei Wochen nach Schulbeginn unterhielt sich Hannah mit Betsy auf dem Schulhof, als ein gleichaltriger Junge von hinten auf sie zukam und ihr die Haare durcheinander brachte. Dabei rief er laut: „Du bist auch blond noch hässlich!“ Hannah war starr vor Schock und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.

Mobbing ist weit verbreitet

Es schien, als hätten sich alle zu Hannah umgedreht und würden über sie lachen. In Wirklichkeit lachten nur einige wenige Freunde des Jungen. Die meisten Schüler und fast alle Schülerinnen fanden den Jungen gemein und fühlten mit Hannah. Es traute sich nur keiner, dieses Mitgefühl offen zu zeigen.

Nach einigen Sekunden spürte Hannah, wie ihre Kopfhaut zu prickeln begann. Was war da los? Sie beschloss, sofort zur Schul-Krankenschwester zu gehen. Diese war bestürzt und rief direkt im Sekreatriat an, man solle sofort den Direktor in die Krankenstation schicken. Der Direktor kam, sah, war entstezt und rief sofort Hannahs Vater an. Nun bekam Hannah große Angst. Was hatte der Mobber mit ihren Haaren gemacht?

Ein besorgter Vater

Christian, Hannahs Vater, kam so schnell er konnte. Als er das tränenüberströmte Gesicht seiner Tochter sah, wurde er wütend. Er war ein Ex-Soldat und würde nicht einfach so mitansehen, wie seine Tochter gemobbt wurde.

Christian wollte wissen, was passiert sei, doch Hannah wurde von einem Weinkrampf geschüttelt und konnte kein Wort herausbringen. Sie wusste selbst noch nicht, was mit ihren Haaren los war.

Deeskalieren und Verantwortung einfordern

Christian wurde von Minute zu Minute wütender. Als ausgebildeter Soldat wurde er dabei immer ruhiger. Mit militärisch kurzen, klaren Sätzen stellte er nur zwei Fragen: Wer war dafür verantwortlich? Warum war seine Tochter noch nicht ins Krankenhaus gebracht worden?

Der Direktor der Schule wollte offensichtlich keinen Skandal und versuchte Christian zu beschwichtigen. Es sei doch nur ein Streich unter Schülern, völlig normal in dem Alter, kein Grund sich aufzuregen. So seien Kinder halt.

Wenn jemand weint, ist es kein Spaß sondern Mobbing

Nachdem ihr Vater Hannah in die Notaufnahme gebracht hatte, rief er die Medien an. Der Direktor wollte die Sache klein halten. Seine Taktik gegen Mobbing bestand darin, alles als Spaß zu bezeichnen und den Mobber unbestraft zu lassen. Christian hatte da ganz andere Pläne.

Wie zu erwarten, griffen alle lokalen Medien den Fall dankbar auf. Bald hatte sich die Nachricht herumgesprochen und besorgte Eltern stelltem dem Direktor unbequeme Fragen. Am nächsten Tag fehlte der Mobber in der Schule.

War das ein Spaß, Mobbing oder Körperverletzung?

In der Notaufnahme des Krankenhauses untersuchte eine freundliche Ärztin Hannahs Kopf. Der Mobber hatte ihr Sekundenkleber in die Haare gerubbelt. Der Kleber hatte mit den Rückständen der Blondiercreme chemisch reagiert und zu Verbrennungen ersten Grades auf Hannahs Kopfhaut geführt.

Die arme Hannah hatte mittlerweile große Schmerzen, so dass die Ärztin ihr direkt ein Schmerzmittel injizierte. Hinzu kamen die seelischen Schmerzen, gegen die es keine Spritze gab. Ihre neue Frisur war ruiniert, und sie hatte so lange dafür gespart. Musste sie jetzt alles abschneiden?

Wut wird zu Verachtung

Die Ärztin wusste, wie wichtig die Frisur für ein junges Mädchen wie Hannah war. Doch es gab keine andere Lösung. Die Haare, die Hannah über Monate hate wachsen lassen, mussten großflächig abrasiert werden, um die Verbrennungen auf der Kopfhaut behandeln zu können.

Wochen später, obwohl die Verbrennungen größtenteils verheilt waren, fühlte es sich für Hannah immer noch so an, als würden Millionen von Ameisen über ihren Kopf krabbeln. Ihr Vater half ihr dabei, den Schock zu verarbeiten. Christian erklärte seiner Tochter, dass die Wut, die sie spürte, vor allem ihr selbst schaden würde. “Die Wut brennt in Dir, und wenn Du nicht aufpasst, verbrennst Du Dich damit selbst.” In vielen kurzen Gesprächen gelang es ihm, Hannah zu überzeugen, dem Mobber zu verzeihen, den Schock zu verdauen und nach vorne zu blicken. Nach einigen Tagen war Hannahs lodernde Wut zu gleichgültiger Verachtung geworden.

Nach vorne blicken ist nicht immer einfach

Von ihrer Wut befreit, beschloss Hannah zu ihrer Friseurin Debbyzu gehen. Sie wollte herausfinden, wie schlimm es um ihr Haar stand. Debby war besonders vorsichtig. Sie wusste von der Gesichte und wollte Hannah nicht weh tun. Doch was war das?

“Oh mein Gott!” rief Debby. Sie hatte Läuse in Hannahs Haaren gefunden. Der Mobber hatte ihr nicht nur eine ganze Tube Sekundenkleber auf den Kopf geschüttet, sondern sich auch nah genug gebeugt, um absichtlich seine Läuse zu übertragen.

Es kommt noch schlimmer

Es hatte ein paar Wochen gedauert, bis die Nissen geschlüpft waren, und das erklärte das Kribbeln, das Hannah gespürt hatte. Debby bot sofort an, Hannahs Kopfhaut mit einem starken Insektizid zu behandeln.

Doch aufgrund der Verätzungen, die Hannah erlitten hatte, war das nicht möglich. Nicht bevor Hannahs Kopfhaut vollständig verheilt war. Hannah dachte, sie sei in einem Horrorfilm als ihr Debby klarmachte: “Ich traue mich fast nicht, es Dir zu sagen, aber Du musst vorerst mit den Läusen leben.”

Die Wut flammt wieder auf

Als ihre Kopfhaut ausreichend verheilt war und sie die Läuse endlich behandeln konnte, vereinbarte sie einen weiteren Termin bei ihrem Friseur. Sie beschloss, ihre Haare rot zu färben. Blond hatte ihr kein Glück gebracht.

Das rot war ein voller Erfolg. Sie liebte die Farbe. Insgeheim fand sie, dass das Rot ihre neu entflammente Wut widerspiegelte. Sie hatte beschlossen, sich an dem Mobber zu rächen. Anfangs wollte sie es ihm mit gleicher Münze heimzahlen, doch dann wäre sie keinen Deut besser als er. Nein, auf sein Niveau wollte sie sich nicht herablassen. Sie hatte eine bessere Idee.

Verantwortlich machen

Hannah wollte es nicht nur für sich selbst tun. Sie wollte sich für jedes Kind einsetzen, das Mobbing erlebt hat. Mobber sollten nicht länger mit ihren Taten davonkommen. Ihre Mutter und ihr Vater unterstützten sie dabei. Sie gründeten eine Facebook-Community namens „Justice For Hannah“, um auf das Mobbing an Schulen aufmerksam zu machen. 

Hannah teilte alle Bilder und Details ihrer Tortur mit der Welt. Sie enthüllte auch, dass die Schule nichts getan hatte, um den Mobber zur Rechenschaft zu ziehen. Über die Facebook-Seite konnte sie auch genügend Follower gewinnen, um eine Petition zu unterschreiben, damit sich der Mobber öffentlich für seine Tat entschuldigt. Sie forderte auch seine Suspendierung und die Übernahme von Hannahs Krankenhaus- und Friseurrechnungen. Den Fakten zu seiner Tat hatte der Mobber nichts entgegenzusetzen, und das wusste er. 

Aufstehen gegen Mobbing

„Ich möchte etwas bewegen. Ich möchte, dass die Menschen für sich selbst einstehen. Niemand verdient es, gemobbt zu werden – das ist für niemanden fair“, sagte Hannah. Die Wirkung, die Hannah erzielte, war weitaus größer, als sie erwartet hatte. Durch ihr überlegtes und sachliches Handeln, befand sie sich nun in einer starken, unangreifbaren Position.

„Ich bin nur ein normales Kind mit starken Überzeugungen. Wenn es um Mobbing geht, setze ich mich deswegen sehr für Menschen ein – aber es lohnt sich.“ Wenn wir Kindern erlauben, ungestraft davonzukommen, werden sie nicht aufhören zu mobben. Je mehr Möglichkeiten wir ihnen geben, desto mehr schlimme Dinge können passieren.

Stärke und Mut hängen nicht an der Frisur

Während dieser schreckliche Junge die Haare ruiniert hatte, die sie so sehr geliebt hatte, und ihr absichtlich Läuse zugefügt hatte, war Hannah entschlossen, ihr Selbstvertrauen davon nicht beeinträchtigen zu lassen.

„Mobbing ist falsch“, schrieb Hannah auf der Facebook-Seite „Justice for Hannah“. „Danke für all Eure Hilfe und Unterstützung. Lasst uns aber nicht vergessen, dass auch der Mobber Hilfe braucht. In seinem Leben muss ja etwas falsch laufen, dass er zu so einem Monster wurde.“

Die Schule wechseln?

Der Schule war all dieser Medienrummel furchtbar peinlich. Die Reaktion des Rektors wurde allgemein kritisiert. Einige Eltern zweifelten sogar an seiner Befähigung, eine Schule zu leiten und forderten seine Absetzung.

Um die Wogen zu glätten, empfahl die Schule, dass Hannahs Eltern sie von der Schule nehmen sollten. Doch ihr Vater fand, dass wenn überhaupt, dann der Mobber die Schule wechseln sollte. „Ich werde meine Tochter nicht herausziehen und sie aus ihrem Leben entwurzeln, wegen dem, was dieses Kind ihr angetan hat“, sagte Christian.

Mobbing ist alltäglich – wir müssen achtsam sein

Mobbing ist etwas, das niemals auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Hannahs Fall war dramatisch, doch auch die vielen Fälle, die übersehen werden, sorgen bei den gemobbten Kindern für schwere Traumata.

Das Schlimmste, was Sie erleben können, ist, dass sie gemobbt werden und ihnen niemand hilft. Der Satz “Stell Dich nicht so an!” ist für ein gemobbtes Kind wie ein Schlag ins Gesicht. Seit Jahren steigt die Zahl der Selbstmorde von Kindern, die Opfer von Mobbing wurden.

Großartige Eltern

Glücklicherweise hatte Hannah Eltern, die bei jedem Schritt hinter ihr standen. Eltern, die ihr geholfen haben zu heilen – körperlich und seelisch. Das Thema in den sozialen Medien öffentlich zu machen, war ein mutiger Schritt, den sie ohne die Unterstützung von Freunden und Familie nicht gewagt hätte.

Anstatt das Ganze in eine Schlammschlacht abrutschen zu lassen, konnte die Familie gemeinsam einen Weg finden, der ihren Peiniger zur Verwantwortung zwang und vielen Menschen die Dringlichkeit des Themas aufzeigte.

Es waren eben nicht nur “ein paar Haare”

Der Mobber und – bestürzenderweise – auch der Direktor versuchten sich anfangs damit herauszureden, es wären ja nur “ein paar Haare” gewesen. Der Aufschrei, der ihnen dafür entgegen schallte, war deutlich.

Viele sahen darin neben dem seelischen Mobbing auch eine physische Körperverletzung und forderten die Staatsanwaltschaft auf, sowohl gegen den Jungen als auch gegen die Schulleitung zu ermitteln. Wir alle sollten uns eines merken: nicht wegsehen sondern helfen!