Ein Mann mit Glück

Er kannte das Haus in und auswendig. Er hatte es von der Auffahrt her betrachtet und wusste, dass das Dach neue Schindeln trug, die Fenster waren repariert und er hatte neue Vorhänge angebracht. In diesem Haus steckte sehr viel Arbeit.

Das Haus gehörte nun ihm und er öffnete die Tür. Er konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Dann kamen ihm plötzlich die Tränen. Er hatte etwas entdeckt – sie hatte ihm etwas auf dem Küchentisch hinterlassen.

Judith

Die 89 Jahre alte Judith Almodovar hatte ihr ganzes Leben in Alaska gewohnt. Man muss dazu sagen, dass sie es liebte und es sich nicht anders wünschen hätte können. Sie liebte die Ruhe, die Größe und wie weit alles von der Stadt entfernt war. Ihr Leben war einfach gewesen und sie konnte sich wirklich nicht darüber beschweren.

Sie hatte die Liebe ihres Lebens bereits vor 69 Jahren heiraten dürfen, sie schenkte dem Mann zwei gesunde Kinder und jetzt war sie froh einfach nur auf dem Sessel vor dem Haus zu sitzen. Dann passierte jedoch eine Tragödie.

Die Tragödie

Judiths Ehemann wurde plötzlich krank. Nach einigen Tagen im Krankenhaus verlor er seinen Kampf und verstarb schließlich an einer Lungenembolie. Es war unerwartet gewesen und Judith war am Boden zerstört.

Obwohl sie beide bereits sehr alt gewesen waren, hatte sie noch immer keine Gedanken daran verschwendet, was passieren würde, wenn Willie verstarb. Sie konnte noch gar nicht fassen, dass er nicht mehr bei ihr war. Sie wusste nicht, was sie ohne ihn tun würde.

Wurzeln

Leider hatten Judiths Kinder die Liebe für Alaska nicht wirklich teilen können. Sie hatten ihre Sachen gepackt um in Washington State zu leben, sobald sie alt genug waren, um ihre Heimat zu verlassen. Jetzt war Judith alleine.

Ihre Töchter boten ihr an, bei ihnen zu wohnen, falls sie gewillt war umzuziehen, aber sie wollte nicht einmal daran denken, ihr Haus zu verlassen. Ihre Wurzeln waren in Alaska – niemand außer Willie hatte dies jemals verstanden.

Liebe aus Kindertagen

Judith war mit ihren Eltern nach Alaska gezogen, als sie erst fünf Jahre alt war. Sie hatte ihren zukünftigen Ehemann bereits am ersten Tag in der Schule kennengelernt. Viele Jahre später waren sie tatsächlich vor dem Altar gelandet.

Willie baute ihnen ein Haus mit nur einem Schlafzimmer. Das kleine Haus befand sich auf dem Bauernhof seiner Familie und nun konnten sie gemeinsam leben. Dies war eine temporäre Lösung, wurde aber zu einem wachsenden Problem.

Reparaturen

Als Willie schließlich verstarb, war das Haus bereits tausend Mal repariert worden. Dies war ein Thema, dass auch die Töchter nicht einsehen konnten. Sie versuchten ihrer Mutter verständlich zu machen, dass sie das Haus abreißen sollte.

Dann konnte sie ihre sieben Sachen packen und mit ihnen in Washington leben. Judith konnte sich nicht dazu überwinden. Aber wie würde sie mit den Reparaturen zurecht kommen, jetzt da sie ganz alleine war?

Hilfe bekommen

Glücklicherweise war Judith mit ihrem Nachbarn befreundet, der auf dem nächsten Bauernhof lebte. Er bot ihr eine helfende Hand an, die sie freudig entgegen nahm. Auch er war bereits recht alt und es würde auch für ihn schwer sein, mit der konstanten Arbeit hinterher zu kommen. Außerdem hatte auch er seine eigenen Probleme.

Die Familie Turley hatte einen 25 Jahre alten Sohn namens John. Er war vor kurzem wieder nach Hause gezogen, nachdem er einige Zeit obdachlos gewesen war. John fühlte sich aber nicht so willkommen in dem kleinen Dorf, wie er es sich vorgestellt hatte. Obwohl John es hasste wieder von seinen Eltern abhängig zu sein, wollte er sich hier Arbeit suchen, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Könnte John die Lösung zu Judiths Problem sein?

Merkwürdige Arbeit

John war jung und stark, er bot an Judith mit dem Haus auszuhelfen. Er reparierte ihr Dach, das inzwischen undicht gewesen war, er isolierte das ganze Haus und widmete sich sogar den Fensterläden. Er tat alles Mögliche, um zu versichern,

dass Judiths Leben wieder komfortabler wurde. Judith versucht ihren jungen Nachbarn so viel für seine Arbeit zu bezahlen, wie es ihr nur möglich war, doch er lehnte die Bezahlung ab. Immerhin schuldete er ihr noch so einiges aus der Vergangenheit.

Der Ruf eilte voraus

Als John im Dorf angekommen war, verteilten sich die Neuigkeiten wie ein Lauffeuer. Jeder wusste, dass er obdachlos gewesen war und überall wo er hin ging, flüsterten die Leute miteinander. Er wurde so dargestellt, als wäre er eine Last für seine Eltern und als könne er nie wieder selbstständig Leben. Das schlimmste an der Sache war, dass ihn niemand anstellen würde.

Judith und Willie waren immer nett zu ihm gewesen. Sie hießen ihn stets willkommen, besonders auch für das eine oder andere Abendessen in ihrem bescheidenen Heim .John wollte sich für diese Güte bedanken und er versprach Judith zu gut zu helfen, wie es ihm eben möglich war. Er konnte nicht wissen, was das Schicksal für ihn vorbereitet hatte.

Eine besondere Verbindung

John hielt sein Versprechen gegenüber Judith ein. Er ging für sie einkaufen, reinigte ihr Haus und gab sei bestes auch das Haus in Schuss zuhalten. Judith freute sich darüber, dass sie nicht alleine sein musste und sie bauten eine besondere Verbindung auf.

Obwohl John Judiths Geld nicht annehmen wollte, versuchte sie sich anders zu bedanken. Sie strickte ihm Schals, reparierte seine Kleidung und kochte ihm jeden Abend eine vorzügliche Mahlzeit. Nicht alle Leute waren mit damit einverstanden.

Probleme

Johns Eltern waren nicht glücklich darüber, als sie herausfanden, dass John gratis für Judith gearbeitet hatte. Sie wollten, dass er sich eine Arbeit suchte, bei der er richtig Geld verdientet, um selbst bei den Haushaltskosten mitzuwirken. Immerhin durfte er zu Hause leben.

Sie waren sogar noch wütender, als sie herausfanden, dass er so viel Zeit mit Judith verbrachte, dass er eigentlich überhaupt keine Zeit hatte, sich eine andere Arbeit zu suchen. Irgendwie musste er eine Lösung finden.

Ultimatum

Johns Eltern sprachen miteinander und stellten ihren Sohn schließlich von en Ultimatum. Genug war genug: Er musste sich nun einen Job suchen, oder das Elternhaus für immer verlassen. John verstand das Dilemma,

doch er war schockiert darüber, dass sie nicht erkennen konnten wie wichtig ihm Judith war. Judith war sehr beliebt in ihrer Gemeinsacht und sie selbst würde auch immer allen helfen, wenn es ihr möglich war. Er stand vor einer unmöglichen Entscheidung.

Ausziehen

John fällte eine Entscheidung. Er packte seine Taschen, um wieder auf der Straße zu leben. Natürlich wollten seine Eltern ihn nicht obdachlos sehen, aber sie waren auch nicht gewillt ihn ohne Fortschritt weiter bei sich leben zu lassen.

Es gab keine Möglichkeiten in der Wildnis von Alaska, für einen Mann wie ihm, also entschied er sich wieder in die Stadt zu ziehen und alles hinter sich zu lassen. Aber was würde von nun an mit Judith passieren?

Versuchen zu überleben

Ohne John war es äußerst schwierig für Judith. Ihre Töchter versuchten sie weiterhin zu überzeugen alles hinter sich zu lassen, um nach Washington zu ziehen, aber sie schaffte es nicht, dieser Anfrage nachzugeben.

Sie hatte so viele glückliche Erinnerungen in diesem alten Haus – dies war alles, was sie von ihrem Leben übrig hatte. Wenn sie weg zog, würde sie auf eine Art Willie verlassen und somit auch einen Teil von ihre selbst. Nach drei Wochen jedoch passierte etwas, das ihr Leben erneut veränderte.

Ein Unfall

Drei Wochen, nachdem John weg gezogen war und Judith in ihrem hohen Alter ganz alleine lebte, versuchte sie das Haus zu reinigen. Ihre alten Knochen schmerzten, aber sie sagte sich selbst, dass sie alles schaffen konnte.

Eines Tages jedoch, während sie auf einer Leiter stand, um eine Kiste an alten Fotos von einem Schrank herunter zu holen, rutschte sie plötzlich aus. Sie versuchte sich noch festzuhalten, aber es war bereits zu spät.

Alles wurde dunkel

Judith versuchte ihre Balance zu halten, aber ihr Fuß konnte keinen Halt mehr erlangen. Der Fall dauerte nur eine Sekunde und in diesem Moment ließ sie noch ein Stoßgebet durch ihre Gedanken schießen. “Bitte Gott… Bitte!”,

tönte es in ihren Gedanken. Die Schachtel mit den Fotos fiel ihr aus den Händen, öffnete sich und die dutzenden Fotos verteilten sich über den Boden. Sie sah noch wie die Polaroids zu Boden segelten und plötzlich wurde alles dunkel.

So wollte sie nicht enden

Als Judith wieder aufwachte, schoss ihr ein Schmerz durch die Hüfte. Sie konnte sich nicht bewegen. Tränen füllten ihre Augen. So wollte sie ganz sicher nicht enden – am Boden ihres Schlafzimmers, alleine, ihre Töchter hatten recht behalten.

Sie musste irgendwie Hilfe kontaktieren. Sie nahm ihre letzte Kraft zusammen und versuchte sich zum Telefon zu schleifen. Sie wählte den Notruf und hauchte das Wort “Krankenwagen” ins Telefon. Würde dies reichen um sie zu retten?

Gebrochen mit Gehirnerschütterung

Es fühlte sich wie Stunden an, bis der Krankenwagen endlich kam. Die Sanitäter hoben sie vorsichtig auf eine Liege und dann in den Krankenwagen. Im Krankenhaus wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Hüfte gebrochen war und sie eine Gehirnerschütterung erlitten hatte.

In ihrem Alter war dies mehr als nur eine Kleinigkeit. Sie brauchte Hilfe und sie musste ihre Töchter darüber informieren, was passiert war. Dieser Fehltritt würde sie so einiges kosten, da war sie sich auf jeden Fall sicher.

Der letzte Versuch

Judiths Töchter kamen am nächsten Morgen an. Alles war beschlossen worden. Judith würde in eine Einrichtung mit betreutem Wohnen in Washington zeihen. Dort würde ihr geholfen werden und sie würde in der Näher ihrer Töchter sein.

Judith versuchte sich weiterhin zu weiterhin zu wehren, um in ihrem geliebten Haus bleiben zu können. Aber es gab keinen Grund die Sache zu diskutieren. Sie würde Alaska verlassen und somit auch einen Teil von sich selbst. Aber was würde mit ihrem Heim geschehen?

Was wurde aus dem Haus?

Judiths Töchter wollten das Haus, in dem sie aufgewachsen waren überhaupt nicht sehen – für sie war es die Quelle allen Übels, an dem ihre Mutter hing. Sie dachten sich, je schneller sie es los wurden, desto besser.

Sie gingen noch ein letztes Mal ins Haus um Judiths Sachen zusammen zu packen. Sie ließen die alten Möbel stehen und nahmen nur die Kleider und Fotos mit. Judith hatte noch eine merkwürdige Bitte, bevor sie den Ort verließen.

Keine Freiheit

Nachdem sich Judith von ihrer Verletzung und der darauf folgenden Operation erholt hatte, wurde sie in ein Betreutes Wohnen gebracht – die Kosten wurden von den Kindern übernommen. Sie hasste jeden Moment davon.

Sie war immer äußerst selbstständig und unabhängig gewesen und jetzt musste sie sich an die Regeln des Hauses halten, als wäre sie ein Kind. Sie hatte keine Zeit sich darum Sorgen zu machen. Es gab noch eine Sache die sie tun musste.

Ein Zeichen der Liebe

Es waren bereits vier Monate vergangen seit dem Unfall. Obwohl die Töchter die alte Hütte einfach abreißen wollten, hatte Judith ganz andere Pläne damit. Diese Freiheit konnte man ihr noch nicht nehmen!

Ihr Haus war ein Zeichen der Liebe ihres verstorbenen Ehemanns gewesen. In so vielen Nächten blies der Wind durch Alaska und sie waren gemeinsam in der schützenden Wärme gewesen. So oft wanderten ihre Gedanken an ihren verstorbenen Mann, aber auch an John.

Eine Entscheidung

Nachdem die Tochter nach einer Antwort verlangt hatten, fällte Judith endlich eine große Entscheidung. Sie konnte den Gedanken nicht ausstehen, dass das Haus einfach abgerissen werden würde. So viel Zeit und Liebe steckte darin.

Sie würde es nicht verkaufen können, denn anscheinend wollte niemand eine uralte Hütte in der Wildnis von Alaska. Judith würde sich um die ganze Sache, bald keine Sorgen mehr machen müssen. So viel stand fest.

Der Kreis des Lebens

Die Stadt hatte John nicht willkommen geheißen. Er versuchte jeden Job anzunehmen, den er nur ergattern konnte, nur um sich ernähren zu können. Er fühlte sich dennoch mehr zu Hause, als in dem kleinen Dorf in Alaska.

Er hatte in letzter Zeit fot an Judith gedacht und versuchte sie mehrmals anzurufen. Sie hatte nie abgehoben. Deshalb war er noch viel überraschter, als er plötzlich selbst einen Anruf erhielt. Dies war äußerst merkwürdig.

Merkwürdiger Anruf

John war überrascht, dass er einen merkwürdigen Anruf erhalten hatte. Der Mann am Telefon erklärte ihm, dass er ein Haus in Alaska geschenkt bekommen hatte. Sein Herz fing zu rasen an, und ein Knoten bildete sich in seinem Magen.

Der Testamentsvollstrecker wollte sich persönlich mit ihm treffen, um die Regeln und Aufträge zu besprechen, die mit der Erbschaft zu erfüllen waren. John brachte beinahe keinen vollständigen Satz heraus, denn nun liefen ihm Tränen über die Wangen.

Eingeschlafen

Drei Jahre war es her gewesen, dass Willie verstorben war und nun schlief auch Judith zum letzten Mal ein. Sie hatte über ihr langes Leben nachgedacht und sie war froh darüber, wie sie es gestaltet und ausgefüllt hatte.

Sie hatte alle Vorkehrungen getroffen, sie war nun müde und bereit, ihren Ehemann endlich wieder in die Arme schließen zu können. Eine Sache hatte sie noch kurz vor ihrem Tod getan – sie hinterließ John ein Geschenk.

Eine merkwürdige Bedingung

John hatte sein letztes Geld für ein Ticket nach Alaska aufgebraucht, wo er den Testamentsvollstrecker traf, der nach Judiths Tod nun auf ihn wartete. Zunächst wusste er nicht, was er mit dem alten Haus in der Mitte Alaskas anfangen sollte,

aber dann wurde er über Judiths Bedingung informiert. Judith hatte ihn damit beauftragt, das Heim ein letztes Mal zu besuchen. Er wollte den Wunsch seiner alten Freundin auf jeden Fall ehren, das stand fest.

Der Kreis schloss sich

John stand in der Auffahrt, sah sich das alte Haus an und er kannte es gut. Er hatte die Fensterläden selbst angebracht, er hatte das Dach geflickt und die Fenster repariert und noch dutzende andere arbeiten hatte er selbst in die Hand genommen.

Er konnte nicht glauben, dass es ihm nun selbst gehörte. Er schloss die Tür auf und ging hinein. Was er dort sah, ließ ihn kurz verstummen. Er sah etwas auf dem Küchentisch und er konnte seine Tränen nicht mehr zurück halten.

Der Koffer

Am Küchentisch war ein brauner Koffer mit seinem Namen darauf. Darin waren dutzende kleine Briefumschläge. Die Umschläge waren beschriftet, “für das Dach”, oder “für die Lebensmittel”, stand darauf. John öffnete die Umschläge und hielt tatsächlich Geld in seiner Hand.

Es war nun klar, dass Judith jeden Cent aufbehalten hatte, den sie ihm ihrer Meinung nach schuldete. Sie wollte ihm eines Tages zurück zahlen, was er in sie investiert hatte. Dieses Mal würde er das Geschenk dankend annehmen.

Um die Privatsphäre der beschriebenen Charaktere zu schützen, wurden Namen und Orte geändert. Jegliche Ähnlichkeiten zu tatsächlichen Vorkommnissen sind rein zufällig.